Wenn das Handy heimlich sendet
Von Sven Gerner
Hamburger Linke haben durch eine Panne erfahren, dass sie per stiller SMS geortet werden Per Zufall entdeckte ein Hamburger Linksaktivist, dass sein Mobiltelefon überwacht wird. Zwar sendet sein Handy wohl keine stillen SMS-Nachrichten mehr an die Ermittlungsbehörden, aber an ein Ende der Überwachung glaubt der Betroffene nicht.
Merkwürdige Einträge im Protokollverzeichnis seines Mobiltelefons ließen den politischen Aktivisten Andreas Blechschmidt aufhorchen. Sein Nokia 5700 listete über mehrere Wochen in regelmäßigen Abständen eingegangene SMS von der nicht existierenden Nummer 0123456789 auf. Unmittelbar nach jeder dieser elektronischen Kurznachrichten verschickte das Handy ein Datenpaket an einen unbekannten Adressaten. Es handelte sich nicht um eine Fehlfunktion seines Telefons oder des Netzbetreibers O2, sondern um eine staatliche Überwachungsmaßnahme, erfuhr Blechschmidt nach Rücksprache mit Experten.
Ermittlungsbehörden können mit sogenannten stillen SMS den Standort des Handys lokalisieren und seinen Besitzer orten. Stille SMS sind eine Hilfe bei Observationen und der Erstellung von Bewegungsprofilen. Der Telefoninhaber erfährt davon im Regelfall nichts.
Durch eine technische Panne konnten Blechschmidt und weitere Hamburger Linke jedoch den Nachweis erbringen, dass ihre Handys überwacht werden. Als Blechschmidt danach erstmals über seine Entdeckung derart kommunizierte, dass auch die Ermittlungsbehörden davon Wind bekommen mussten, blieben die mysteriösen SMS-Nachrichten plötzlich aus. Der 44-Jährige geht davon aus, dass die Panne behoben wurde und sein Telefon die Datenströme nun nicht mehr im einsehbaren Protokoll registriert.
Andreas Blechschmidt ist kein Unbekannter. Seit 20 Jahren ist er in der »Roten Flora«, dem autonomen Zentrum im Hamburger Schanzenviertel, aktiv und hat zahlreiche Demonstrationen angemeldet. Er tritt öffentlich auf und gibt der autonomen Bewegung ein Gesicht. Das macht ihn auch für die Verfolgungsbehörden interessant.
Seine Geschichte erinnert an den Fall dreier Berliner, die sieben Jahre lang durch die Bundesanwaltschaft in einem Ermittlungsverfahren wegen Gründung der militanten gruppe (mg) lückenlos überwacht wurden – rechtswidrig, wie der Bundesgerichtshof (BGH) im März dieses Jahres feststellte. Obwohl keine belastbaren Indizien vorlagen, wurden die drei ständig beobachtet: Neben stillen SMS gehörten das Abfilmen der Hauseingänge, Wanzen und Peilsender in Pkw sowie Hausdurchsuchungen zum Überwachungsprogramm.
Auch in Hamburg ermittelt derzeit die Bundesanwaltschaft wegen eines militanten Angriffs mit Farbbeuteln und Steinen auf eine Hamburger Polizeiwache und dem Inbrandsetzen zweier Streifenwagen im Dezember 2009. Das Strafverfahren läuft aber nicht wegen Sachbeschädigung und Brandstiftung, sondern wegen Verdachts des versuchten Mordes. Erst dieser Vorwurf gestattet besondere Ermittlungsmethoden. Und das gesamte Repertoire wolle man zum Einsatz bringen, hatten die Ermittler im Januar erklärt.
»Ich muss davon ausgehen, dass die Überwachung in einem Zusammenhang mit diesem öffentlich angekündigten Ermittlungsverfahren der Generalbundesanwaltschaft stehen«, erklärt Blechschmidt.
Wie andere Verfahren gegen Linke in den vergangenen Jahren dienen die aktuellen Ermittlungen vorrangig der Durchleuchtung und Kriminalisierung der radikalen Linken, meint Blechschmidt. »Insofern ist es auch nachvollziehbar, dass sich die Polizei dem aktuellen BGH-Beschluss verschließt und ihr bewährtes Muster fortführt, einen massiven Tatvorwurf zu behaupten, um dann alle Register ziehen zu können. Ganz egal, ob es dann am Ende wirklich einen Ermittlungserfolg gibt.«